Mittwoch, 23. Januar 2013

Aus dem Leben eines Besessenen

Ich habe mich sehr über die durchaus positiven Reaktionen auf meinen letzten Blog, Woher die Besessenheit kommt oder wie alles begann Teil 2, gefreut. Ich glaube das sich sehr viele gar keinen Begriff davon machen wie es ist Golfpro zu sein und was das für Auswirkungen auf das eigenen Leben hat. Trotz dem ich gescheitert bin und mein Ziel Playing Pro zu werden nicht erreichen konnte gibt es doch einiges was ich als sehr positiv erfahren habe einiges war auch weniger schön ein paar dieser Erfahrungen würde ich gerne in diesem Blog berichten. Ich hoffe euch gefällt auch das.
"Aus dem Leben eines Besessenen" diesen Blog Titel habe ich nicht ohne Grund gewählt. Nach dem ich meine Ausbildung begonnen hatte bestand mein ganzes Leben nur aus einem Gedanken: "Golf". Wenn man in der Lage ist diesen Gedanken in die richtige, eine positive, Richtung zu lenken dann kann einem das helfen erfolgreich zu sein. Ich war von dem Tag als ich das erste mal einen Golfball geschlagen habe fasziniert und als Amateur habe ich sicher überdurchschnittlich viel trainiert und auch gespielt sicher konnte man mich damals als Golfverückt bezeichnen. Aber als Pro nimmt das eine Dimension an die an Besessenheit grenzt, anders kann man auch nicht 8 Stunden am Tag trainieren und das auch noch spassig finden. Man muss sich nur mal die Frage stellen wie es denn ist 3 Stunden pro Tag an 6 Tagen die Woche nur zu Putten. Wenn man sich das mal klar macht versteht man das man es hier mit Besessenheit zu tun hat zumal ich viel mehr Spass am Driven als am Putten habe, bis heute. Aber wie schafft man es trotz aller Leidenschaft dieses Trainingsprogramm zum einen durch zu stehen auf der anderen Seite dabei auch nicht zu sehr zu leiden denn wenn man sich quält, dann wird es irgendwann unerträglich. Hierfür gibt es keine pauschale Antwort, jeder muss da für sich einen eigenen Weg finden ich habe relativ schnell erkannt das es bei mir nur über klare Ziele und Wettkampfsimulationen geht.

Das definieren von Zielen fing ich vom Großen bis hin zum ganz kleinen an, ich habe praktisch nichts getan ohne ein klares, Messbares Ziel an zu streben. Natürlich hatte ich das Ziel auf die Tour zu kommen aber auch die zwischen Ziele hatte ich minutiös geplant. Wenn man es jetzt wieder auf die reine Trainingsarbeit runter bricht dann könnte ein Ziel sein einen gezielten Draw schlagen zu können. Man kann sich die Technik aneignen die theoretischen Fähigkeiten beibringen nur kann man dann immer noch nicht in einer Drucksituation diesen Schlag abrufen. Es muss einem in Fleisch und Blut übergehen und so muss man hunderte oder gar tausende Bälle schlagen um sich diese Fähigkeit an zu eigenen. Dazu benötigt man eine hohes Maas an Disziplin und Selbstbeherrschung welche mir etwas abging. Mein Boss im Club hatte das recht schnell raus gefunden und so haben wir Übungen auf mein Training angepasst die mir helfen sollten das Programm mit Spaß zu bewältigen. Nehmen wir wieder das Beispiel Putten. Ich weiß nicht wie ihr das seht aber ich fand Putten üben von je her langweilig und wenn man die ersten paar Putts gemacht hat fängt man schnell an sehr lange Putts auf dem Übungsgrün zu spielen, es macht einfach mehr Spaß. Nur sind das nicht die Putts die man üben sollte sondern die kurzen und mittellangen Putts sind die die wichtig sind. Welche Prozentzahl würde man sich selber geben bei sagen wir mal 3 Meter Putts. Die 1 Meter Putts sollten schon so um die 90% fallen, die 2 Meter Putts zu 70% und die 3 Meter Putts aber mindestens zu 60% denn das sind die realistischen Birdiechancen oder die Toughen Par saves. Genau diese Putts sollte ich üben. Mein Chef hat mir also eine Aufgabe gestellt, er hat vom Loch in einer Putter länge ein Tee ins Grün gesteckt, von da nochmal eine Putterlänge und dann nochmal. Von diesen 3 Positionen sollte ich, beginnend von der ersten Position jeweils 3 Bälle lochen. Wenn die ersten 3 gefallen sind dann zur nächsten Position, fällt ein Ball nicht fängt man wieder von vorne an. Das Ziel war diese Übung 3 Stunden lang zu machen, in dem Moment wo ich alle 9 Putts gelocht hatte durfte ich die Übung endgültig aufgeben und als Belohnung musste ich 1 Woche nicht in den Proshop und durfte mit meinem Boss nach Royal St Georges. 9 PUTTS hintereinander, mehr nicht! Die längste der 3er Serien ca 3 Meter weg vom Loch. Denkt mal drüber nach wie viele Stunden braucht man dafür? Oder wie viele Tage? Ich habe 7 Monate jeden Tag diese Übung gemacht. Manchmal hatte ich 8, den neunten aber nie. Bis es dann endlich geklappt hat. Wie gesagt, ich bin da recht Ehrgeizig, am Ende habe ich es geschafft, und wir sind nach Süd England auf den Royal St Georges (Das ist aber wieder eine andere Geschichte).

Solche Übungen mit solchen Anreizen hatte ich für jede Komponente in meinem Spiel und so habe ich mich motiviert gehalten. Ein anderer Weg das Üben spannend zu halten ist der nicht immer auf die gleiche Weise zu üben. In einer Session ging es mir darum das mein Ballkontakt entweder zu dünn oder zu fett war. Gerade mit den kurzen Eisen und Wedges hatte ich dieses Problem. Bei uns auf der Range hinter den Freiluftabschlägen verlief ein Asphaltweg. So oft es mir das Aufkommen auf der Range und die Wanderer auf dem Weg zu ließen habe ich Wedges von diesem Asphaltweg geschlagen. Wenn du da den Ball nicht richtig sauber triffst hast du ein Problem. Das Wedge mit dem ich das gemacht habe, habe ich heute noch (allerdings nicht mehr im Gebrauch). Es war von Cleveland und nach einer Zeit konnte man den Firmenschrifftzug von Cleveland nicht mehr auf der Sohle des Schlägers lesen so abgewetzt war die. Wenn man das mit ein paar hundert Bällen macht, dann bekommt man einen sehr sauberen Ballkontakt oder einen Tennisarm. 

Habt ihr als Amateur schon mal eine Rundenstatistik geführt? Als Pro sollte ich nach jeder Runde die ich gespielt habe sei es eine Übungs oder Turnierrunde eine Statistik anfertigen. Wohl gemerkt nach der Runde. Während des Spielens muss man sich von solchen Dingen frei im Kopf machen danach setzt man sich hin und rekapituliert jeden einzelnen Schlag den man gemacht hat. Auf geschrieben wurden Tee shots die das Fairway getroffen haben. Für mich war hier ein Wert von 7/14 gut. Ein Ball der nur leicht im Semirough lag war nicht auf dem Faiway. Greens in Regulation. Ich glaube viele würden sich wundern was hier ein guter Wert ist. Hoch zufrieden war ich mit 10/18. Vorgrün ist halt auch nicht Grün. Anzahl Putts, alles unter 36 ist anstrebenswert alles unter 30 ein Top Wert. dieser Wert bestimmt am Ende wie gut das Ergebnis ist, as simple as that! Ein Putt aus dem Vorgrün zählt nicht als Putt. Anzahl Bunkerschläge hier gibt es keinen Richtwert. Hat man zu viele Bunkerschläge macht man etwas grundlegendes falsch weil man die Grüns nicht trifft oder die Fairways. Die Längen der Schläge, vor allem die Drives, spielen keine so große Rolle, irgendwann weiß man ungefähr wie weit man schlägt. Die Kontrolle der Länge ist ein anderes Thema. Diese ganzen Werte erfasste ich nach der Runde. Für 18 Löcher ist das gar nicht so einfach, denkt mal an eure letzte Golfrunde könnt Ihr hier sagen wie jeder einzelne Schlag war? Ich war irgendwann so gut darin das ich Runden die Wochen zurück lagen reproduzieren konnte und selbst heute kann ich wenn ich ein Turnier spiele und beim Kartenvergleich Probleme Auftreten meistens den Mitspielern genau sagen wie sie oder ich dieses oder jenes Loch gespielt haben. So nach dem Motto: Drive auf die Bahn, Annäherung etwas kurz links, ein Chip, drei Putts du hattest eine 6. Für mein Training war das insofern wichtig das man aus diesen Listen ein Muster ablesen konnte aus dem Trainingsinhalte abgeleitet werden können. Wenn ich wenige Putts mache aber noch weniger Grüns treffe dann heißt das zum Beispiel das mein kurzes Spiel also Chippen Pitchen etc. gut sind. Wenn ich aber wenige Grüns treffe und viele Putts mache kann man davon ausgehen  das die Annäherungen nicht so gut sind und das man daran verstärkt arbeiten muss. Diese Methode ist eine sehr effektive Art sein Training Zielgerichtet an zu gehen.

Dieses Beispiel mit den Statistiken zeigt auch wieder wie ich zu der Zeit drauf war. Es gab Zeiten da hätte man mich mitten in der Nacht wecken können und fragen können wie ich vor drei Wochen auf dem Platz XY  auf der Bahn 14 gespielt habe und ich hätte ohne zu zögern geantwortet: "Driver, siebener Eisen 2 Putts, Par, leider kein Birdie der erste Put war Mist." Dann wäre ich wieder eingeschlafen. Ein solch intensives Vorgehen muss zwangsläufig zu einem besseren Spiel führen, zu Beginn meiner Profi Zeit hatte ich nicht die Ergebnisse (die Gründe dafür konntet ihr in meinen letzten Blogs lesen), dann aber wurde es merklich besser. Bei solch einer Trainingsanstrengung muss man schon komplett Talentfrei sein um nicht irgendeinen Effekt zu spüren und irgendwann kommt dieser Effekt. Bei mir kam das nicht schleichend sondern mit einer brachialen Gewalt auf einmal knallte es und die viele Arbeit schien sich aus zu zahlen aber zu welchem Preis? Wer mich kennt weiß das ich durchaus in der Lage bin ein Gespräch zu führen und das auch zu unterschiedlichsten Themen, damals nicht. Es gab nur ein Thema und so umgab man sich auch mit Leuten die nur ein Thema kannten. Mein "Freundeskreis" bestand ausschließlich aus anderen Trainees oder sehr guten Golfern. Wir alle waren gleich drauf, an unseren freien Tagen, wenn nicht gerade ein Turnier war, trafen wir uns zum Golfen auf irgendeinem Platz, ein schöner Nebeneffekt als Golfpro ist der das man keine Greenfees zahlen muss, dort zockten wir dann um ein Paar Mark und hatten so selbst an den freien Tagen nur Golf im Sinn. An den Lehrgängen die im Blogunterricht durchgeführt wurden spielten wir bis in die Dämmerung nach dem Unterricht Golf nur um ja kein Tageslicht zu verschwenden. Abends in den Hotelbars oder Kneipen versuchten wir dann Golf zu schauen, wie gesagt es gab nur Golf. Diese Lebensweise hat einen ganz entscheidenden Nachteil, wenn du aufhörst stehst du alleine da. Deine Freunde von früher reden nicht mehr mit dir weil du dich die letzen 3 Jahre nicht gemeldet hast. Meine Golffreunde haben sich mit dem Tag von mir abgewendet an dem ich ihnen mitgeteilt habe das ich hinschmeiße, nicht einen Tag hat es gedauert, in deren Augen existierte ich nicht mehr. Das war eine sehr harte Schule durch die ich da gegangen bin. Man lernt Freundschaften zu schätzen, ein Freund von früher hatte mich nicht aufgegeben, ihn zähle ich noch heute zu meinem besten Freund. Meine Familie hat mich auch sehr unterstützt.

Ihr seht also das man sehr genau aufpassen muss damit die Besessenheit nicht dein ganzes Leben ruiniert und alles in allem war es ja auch eine tolle Zeit. Ich glaube auch, wenn man sich einmal für einen Weg entschieden hat und das dann durchzieht das man mit dieser Situation anders Umgehen muss, ich konnte das damals nicht. Ich möchte diesen letzten Abschnitt nicht missverstanden wissen, ich beschwere mich nicht, es war nur so und das ist eben auch eine Seite dieser Medaille  ich war vom Golfspiel besessen und als ich aufhörte wusste ich sehr lange nicht was ich tun sollte weil ich schlicht nicht mehr jeden Tag auf den Golfplatz fahren konnte.

So genug gekühmt, in den nächsten Wochen werde ich mich ein wenig den Aspekten meiner Ausbildung widmen die nicht zwingend etwas mit dem Spiel zu tun haben, hier hoffe ich das euch das auch gefällt.

Bis dahin ein schönes Spiel

8 Kommentare:

  1. Würdest Du ein Buch schreiben, hätte ich es sofort.
    Weiterhin sehr interessant!

    Sven

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  2. Stark.
    Auch hier.
    Ich habe das Gefüh, dass es auch eine Art Selbsbefreiung ist, hier alles nochmals niederzuschreiben, oder?

    Ich muss gestehen, dass ich dass in Köln letzten Herbst mit deiner Karriere und dem Pro-Versuch gar nicht so intensiv mitbekommen habe. Klar spielst du einen sehr guten Ball.
    Und das erklärt auch deinen hohen Anspruch an dein Spiel und die Gelassenheit :-)

    Eine Frage, wenn Du mal Lust und Zeit hast:
    Es wäre doch allen geholfen, wenn Du ein paar weitere Trainingstipps, wie die Putt-Nummer aufschreibst. Hier so. Zum Nachlesen.
    Als vllt. eigene kleine Rubrik?
    Fände ich stark!

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  3. Hallo zusammen, schön das es euch gefällt was ich hier so verzapfe.

    Sven, Ein Buch schreiben, es gibt schon zu viele Golfbücher außerdem kann man dann nicht mit den Lesern diskutieren.

    Thomas, Selbstbefreiung würde ich es nicht nennen, es ist aber dennoch faszinierend was beim Schreiben wieder alles hochkommt. Ich habe bewusst sehr lange gewartet das zu erzählen weil ich eben auch Reaktionen aus meinem Umfeld auf die Geschichte hatte die Negativ waren. Ich gehe eigentlich nicht mit dem hier hausieren, dach über Weihnachten habe ich mich entschlossen es zu bloggen und ich glaube es tut auch mir gut!

    In Köln habe ich extrem schlecht gespielt da habe ich ne 89 gespielt da kann ich doch nicht sagen ich wäre mal Pro gewesen, wenn ich das richtig im Kopf habe habe ich da nur ein gutes Loch gespielt die 18: Fantastisch langer drive rechts ins Semirough (Par5), Hybrid ins Vorgrün sehr gute Annäherung und dann ist mir das Birdie ausgelipped, alle anderen Bahnen waren doch eher schlecht.

    Das mit den Tipps muss ich mir überlegen wie man so etwas angehen kann, Erstens bin ich kein Golflehrer mehr, wer Trainingstipps braucht soll zu seinem Heimtrainer gehen. Zum anderen sind die Übungen die ich gemacht habe doch eher auf intensivstes Training angelegt, wer von uns hat denn bitte die Zeit Stundenlang um irgendwelche Stangen zu slicen? Ich mach mir da mel ne Waffel drum.

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  4. Stange probiere ich auch jedes Training. Die letzten 20 Bälle oder so. Muss ja. Draw und so...
    Aber das ist es was ich meine.
    Es tut dir gut, Ralph.
    Man kann es förmlich lesen.
    Zwischen den Zeilen und auch in der Art wie und was Du schreibst.
    Sehr persönlich, sehr öffenend.
    Ich finde das sehr stark!

    Im Gegensatz zu deinem Golfspiel :-)
    Nein, man konnte sehen, dass Du weißt, was du mit dem Schläger machen sollst.
    Einzig der Schläger wollte nicht so wie Du.
    Oder war es doch am Ende der Ball?
    Egal
    Auch das war stark und ich freue mich auf die Harzer-Open

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  5. Ich muss sagen das ich deinen Schreibstil sehr mitreißend finde!
    Mach bloß weiter so ich freue mich schon auf die nächsten Blogs !

    Das mit der Rundenstatistik und das du während der Runde auch die
    die deiner Partner im Unterbewußtsein abspeicherst fand ich enorm

    Gruß Matthias


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  6. Thomas: Nicht das hier irgendwelche Missverständnisse aufkommen ich meine eine Stange die auf der Range steht und nicht in der Stammkneipe.

    Mein Golfspiel .... Nun ja ihr werdet es ja sehen (und das ist bitte nicht als Drohung zu verstehen) Wird anders sein dieses Jahr, Mich hat nämlich der Ehrgeiz gepackt gerade und vielleicht auch wegen dieses Blogs.

    Und eins noch es sind immer die Schläger oder der Ball oder der Platz, NIE ich wiederhole, NIE ist man selber schuld.

    Mathias: Das mit den Runden ist ne reine Übungssache mach das mal drei vier mal und du hast das auch drauf.

    Mein Schreibstil gefällt dir? Hätten wir uns doch vor 20 Jahren gekannt, dann hättest du das meiner Deutsch Lehrerin sagen können.

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  7. Das deine Deutschlehrerin den einen oder anderen Herzkasper bei Dir bekommen haben dürfte, kann man sehen. Bzw. Lesen. Das macht dich ja so sympathisch :-)
    Das mit der Stange habe ich schon verstanden. Und in Kneipen gehe ich nicht, dafür bin ich doch schon zu alt. Als Golfer...

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  8. Schachtelsätze ist das Zauberwort, ohne geht es nicht.

    Der geneigte Golfer geht ins 19. Loch.

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